Mal was Unerfreuliches beim Webdesignen: Im Oktober 2022 bekam auch ich Post von einer Kanzlei RAAG (Dikigoros N. Kairis, angeblich Dikigoros=Rechtsanwalt in Meerbusch) wegen dynamischer Einbindung von Google-Fonts in unserer Fotoclub-Website suhl.fotoclubkontrast.de (keine Angst, die ist jetzt Fonts-sauber). Der Anwalt verlangte im Auftrag seines angeblichen Mandanten Wang Yu Unterlassung, Auskunft über die Datenverarbeitung und „Schadenersatz“ wegen der vermuteten Einbindung von Google-Fonts in unserer Website. Dadurch würden beim Besuch unserer Fotoclub-Website dessen persönliche Daten, speziell seine Internet-IP (so er denn eine persönliche IP hat) ohne seine Zustimmung an Google in den USA weitergeleitet. Und er weiß ja nicht, was dort mit seinen Daten passiert und verspürt deshalb einen Kontrollverlust und einen „tatsächlichen und wirtschaftlichen Nachteil“ (welchen, sagt er nicht). Gegen eine Zahlung von 226,10 € (Schadenersatz + Gebühren) wären sie aber bereit, noch mal ein oder beide Augen zuzudrücken (wie Justitia), wenn es dann nicht wieder vorkommt. Der zur Zahlung anzugebende Verwendungszweck „Dsgvo – 23902“ beziffert vielleicht die inzwischen abgeschickten Mahnungen. Es sollen jedenfalls tausende Schreiben sein, die auch von anderen Google-Fonts-Abmahn-Trittbrettfahrern im Umlauf sind.
Dieselben Leute (oder Maschinen?), die sicherlich die Google-Suche quer durch alle Branchen nach Opfern durchforsten, wollen die Kleinlichkeit einer nachgeladenen Schrift aus Google-Servern als Geschäftsmodell nutzen. Wie oft musste der arme Wang Yu wohl googeln, um unseren kleinen Fotoclub zu finden? Wobei er sich womöglich gar nicht für unseren Fotoclub interessiert, sondern immer nur für Google-Fonts, als wenns keine anderen Hobbys auf der Welt gäbe. Scheint irgendwie richtig besessen davon zu sein. Hätte ja auch mal schreiben können: „Hallo liebe Suhler Fotoclubber, ihr habt da eine interessante Website. Ich begeistere mich für chinesische Fotografie. Vielleicht kann ich mal donnerstags zu einem Clubabend kommen. Ach übrigens ist mir aufgefallen, dass ihr Google-Webfonts einbindet (hab ein bisschen im Quellcode geforscht). Das ist inzwischen problematisch, sicher findet ihr auch eine andere Lösung. Schönen Gruß auch von meinem Anwalt, Herrn Kairis, der sich auch sehr für Fotografie interessiert.“ Das ist natürlich rein hypothetisch, hat er natürlich nicht gemacht. Aber das kreative Potential hätten sie: haben sie ja mit ihrer Datenschutz-Werbekampagne bewiesen. Die künstlerische Ader sieht man ja auch an der feschen Justitia im Briefkopf (mit Bikini?), vielleicht geht sie ja gerade in den Abmahnwellen baden.
Bisher (dachte ich) wurde die Verwendung von dynamisch ladenden Google-Fonts durch ein „berechtigtes Interesse zur einheitlichen ansprechenden Website-Gestaltung“ gedeckt (solche Font-Funktionen sind in den meisten WordPress-Themes standardmäßig integriert). Die Büchse der DSGVO-Pandora öffnete das Landgericht München mit einem Urteil vom vom 20.01.2022, Az. 3 O 17493/20 über Unterlassung und 100 € „Schmerzensgeld“ für nichteingewilligte dynamische Nachladung von Google-Fonts in einer Website (ist bisher noch nicht mal rechtsgültig). Das Urteil hat zum Gegenstand, dass die IP des Websitebenutzers (als persönliche Date/Datum?) ohne dessen explizite Einwilligung nicht an Google-Recourcen-Server in den USA weiterleitet werden darf (anders können aber Webinhalte nicht ausgeliefert werden), denn man weiß ja nie, was die alles damit anstellen (weil die USA europajuristisch gesehen als datenschutzmäßig nicht vertrauenswürdiges Drittland gelten).
Nun arbeiten sich tausende Webdesigner daran ab, mit Hilfe des kostenlosen Google-Webfonts-Helper des österreichischen Entwicklers Mario Ranftl (vielen Dank dafür!) diese Fonts und ihre CSS-Einbindung statisch in Websites zu integrieren (sollte doch mal eine andere oder weitere Schrift gewünscht werden, geht das Ganze wieder von vorn los). Dasselbe wird bestimmt in Zukunft jede Recource betreffen, die aus externen Quellen in Websites eingebunden werden, z.B. Maps, Videos, Social Media. Eine „schöne“ Konsequenz ist vorläufig, dass sich Websitebetreiber durch nervende Cookie-Banner und Zustimmungs-Popups gegen Datenschutz-Abmahnungs-Möglichkeiten absichern müssen. Genauso sollte Internet eigentlich funktionieren: der weltweite Datenaustausch mit einer Armada von Rechtsanwälten und Datenschutzbeauftragten im Hintergrund. Auch ich dachte, es wäre besser, sich anwaltlich beraten und eine rechtlich fundierte Ablehnung der konstruierten Ansprüche verfassen zu lassen.
Mist, jetzt hab ich in diesem Beitrag 12 mal das Wort G..gle geschrieben, ohne G..gle irgendwie besonders gut zu finden, außer man findet was mit ihnen gut. Da hat ja R..G noch richtig was Gutes für G..gle erreicht, außerdem noch Arbeitsbeschaffung für die Deutsche Post, Webdesigner, Anwälte…
Mehr Informationen zum Thema: https://www.anwalt.de/… | ll-ip.com/…